Jeder Schluck Wein entführt die Sinne auf eine aromatische Reise
und fängt das Wesen des Terroirs ein.
Frédéric Poduit hat einen direkten Blick. Jetzt im Mai ist sein Gesicht bereits von der Sonne gegerbt. Er scheint etwas misstrauisch bei dem Interview. Aber sobald man von den Rebstöcken spricht, strahlen seine Augen und man merkt ihm die Leidenschaft an. Frédéric ist Winzer, und für ihn sagt dieses Wort alles: das ist ein Beruf!
Es ist sein Beruf. Er machte eine Lehre auf dem Weingut Domaine du Grand Brûlé. Einer der wichtigsten Momente in seiner Laufbahn war der Tag, an dem er seinen Rebberg bekam, ein Hektar, der seinen Eltern und seinen Grosseltern gehört hatte. Heute bewirtschaftet er dieses Land mit Unterstützung seiner Ehefrau und seiner Eltern.
Er kümmert sich darum neben seinem anderen Beruf an den Liftanlagen des Skiortes Ovronnaz. Denn wenngleich der Weinbau seine Leidenschaft ist, kann man schwer nur davon leben, das ist sehr riskant.
«Ich wurde darin hineingeboren. Meine Grosseltern und meine Eltern übten diesen Beruf aus. Unter uns drei Brüdern bin ich der Einzige, der diesen Beruf ergriffen hat. Wir arbeiteten mittwochs nachmittags, am Wochenende. Mir hat das gefallen. Heute habe ich zwei Kinder. Eines davon, Romann, scheint Freude an der Landarbeit zu haben! Er ist immer gern bereit, mit anzupacken! »
Dieser passionierte Winzer würde keinen Moment zögern, trotz der Klimaänderungen, trotz der Risiken, trotz der manchmal zu bürokratischen Verwaltung: auch heute würde er diesen Beruf wieder wählen!
« Man lernt, entsprechend den Witterungsbedingungen zu arbeiten. Die Natur hat das letzte Wort. Wenn kaltes Wetter kommt, weiss man nicht, was passieren wird, und das muss man akzeptieren.
Im Winter werden die Reben geschnitten, es ist kalt und man muss raus, aber wir hier sind nicht kälteempfindlich. Jetzt ist die Zeit der Laubarbeiten.
Und dann verfolgt man aufmerksam die Entwicklung bis zur Weinlese. Man muss wachsam bleiben. Manche Flächen eignen sich besser für andere Rebsorten. Und manche Krankheiten können sehr schnell kommen. Etwas Unachtsamkeit und man verliert vielleicht seine Rebstöcke. ».
Das Geheimnis? « Die Rebstöcke muss man hegen und pflegen! »
Cédric Dorsaz ist ein grossgewachsener, kräftiger Mann. Er hat ein kantiges Gesicht, aber sein Blick ist sanft und er wirkt leicht schüchtern. Zusammen mit seiner Ehefrau führt er ein 5 Hektar grosses Weingut.
Dabei hat er eine 100%-Stelle bei der Gemeinde. An Arbeit würde es nicht fehlen, denn das Ehepaar beschäftigt 3 Angestellte. « Es ist schwierig, nur vom Weinbau zu leben. Es braucht nur einen Kälteeinbruch, und man hat hohe Verluste », berichtet er. Um den Weinbau kümmert er sich abends, in den Ferien und an den Wochenenden. Er erzählt:
« Mein Vater und mein Grossvater hatten Rebstöcke ». Als Kind verbrachte er seine Zeit damit, seiner Familie zu helfen: « Mir gefiel das, ja! ». Seither hat ihn diese Leidenschaft nicht losgelassen.
Er beschreibt die ständige Aufmerksamkeit, die der Beruf erfordert: «Jedes Jahr lernt man Neues dazu, man muss genau die richtige Menge Trauben lassen, damit sie gut ausreifen. Das Know-how liegt darin, seine Rebstöcke genau zu beobachten, zu begreifen, was nach und nach passiert, die Veränderungen des Vorjahres zu berücksichtigen. Wir sind kürzlich zur begrünten Rebkultur übergegangen, aus Gründen des Umweltschutzes. Eine solche Umstellung verlangt von uns, darauf zu achten, was sich dadurch für die Rebstöcke ändert. »
Seine zweite Tätigkeit als Beamter bei der Gemeinde ist alles andere als Routinearbeit. Er kümmert sich um den Unterhalt der Wanderwege, der Schneeschuhwege und der Langlaufloipen. «Was ich liebe, ist der Kontakt mit der Natur, vor dem Fernseher zu sitzen, das ist nichts für mich. Ich lebe im Freien». Ein Beruf, der darin besteht, die Berge zu durchstreifen, manchmal um 3.00 Uhr morgens rauszugehen, bei zehn oder fünfzehn Grad unter Null mitten im Winter oder bei sengender Sonne im Sommer, um Zäune oder Brücken zu bauen. Dieses handwerkliche Geschick hat er von seinem ersten Beruf, Schreiner.
Man spürt die Verbundenheit zur Natur, zur Region. Ich frage ihn, ob er, der hier in Chamoson lebt, die Schönheit der Landschaften noch wahrnimmt. Er sagt: «Wir sind im Herzen der Rebberge, das ist herrlich! Die Natur, man nimmt sie wahr. Man bewundert sie noch immer.
Vor zwei Wochen habe ich die Absperrung auf dem Berg Ardève gebaut, ich habe mich auf die Bank gesetzt und die Aussicht bewundert. Ich liebe das. Wenn ich oben auf einem Berg bin, geniesse ich die Aussicht. »
Mauricette Schmidli lächelt fröhlich. Ich stelle mich darauf ein, mit ihr über Weinbau zu sprechen. Gleich zu Beginn des Gesprächs sagt sie mir, sie sei weder Weinbäuerin noch sei der Weinbau ihre Leidenschaft.
Sie erzählt:
«Meine Eltern hatten viele Rebstöcke, damals hatten alle Leute Rebstöcke. » Ihre Mutter kümmerte sich darum, mit Hilfe ihrer Kinder.
«Als ich noch klein war, ärgerte mich das, in den Ferien waren wir in den Weinbergen und sahen die Freunde, die vorbeikamen. Ich wollte diese Rebstöcke nicht haben. Schon als ganz kleines Mädchen sagte ich, auf keinen Fall werde ich später einen Rebberg haben! »
Also wie kommt es, dass sie heute neben einem Beruf in Vollzeit noch Wein anbaut? Sie weist mit ihrem Zeigefinger auf ein hübsches gelbes Haus am Rand des Dorfes Chamoson, umgeben von Rebbergen. «Ich habe das Haus von meinem Onkel gekauft, vor über 30 Jahren. Er sollte das Nutzniessungsrecht am Weinberg behalten: aber weil er ein Jahr später gestorben ist, habe ich auch die Rebstöcke geerbt. »
Wenn sie davon erzählt, spürt man trotzdem, dass die dem Weinbau eigene Sorgfalt und Aufmerksamkeit fest in ihr verwurzelt sind:
«Wenn man sich um einen Rebberg kümmert, hat man manchmal keine Wahl, wie jetzt im Mai, das wächst und da müssen wir abends und samstags bis zu später Stunde schneiden, mein Freund und ich. Denn wir haben diese Einstellung: es gefällt uns nicht, wenn ein Rebberg nicht gepflegt ist. Das gehört sich nicht. Wir merken, dass wir manchmal, nach unserem jeweiligen Arbeitstag, keine Lust haben, noch den Rebberg zu bewirtschaften. Aber wenn wir rausgehen, selbst nur für eine halbe Stunde, dann tut uns das gut, wir bekommen den Kopf frei und danach fühlen wir uns wohl. »
Und wenn man sie fragt, ob sie sich mit dieser Region verbunden fühlt, antwortet sie mit einem Lachen, als sei diese Frage absurd: « Ah aber Chamoson! », und fügt sanft hinzu: « Da hat man es schön, ich bin hier geboren! »